Professorin Dr. Miriam Kalbitz im Porträt


"In meinen Augen sind Vorbilder essenziell, um unseren Nachwuchs für Forschung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie zu begeistern."

Wieviel Prozent Ihrer Tätigkeit wenden Sie für Klinik bzw. Forschung auf?

Miriam Kalbitz: Während meiner Facharztausbildung war ich größtenteils klinisch, anschließend im Verlauf meines Postdoc Fellowships an der University of Michigan vorwiegend wissenschaftlich tätig. Später im Clinician Scientist Programm (CSP) der Universität Ulm lag mein Fokus ebenfalls zu unterschiedlichen Anteilen in der Klinik und Wissenschaft – im ersten CSP-Jahr mit 100 Prozent-Freistellung für Forschung, im zweiten Jahr lag der Forschungsanteil bei 80 Prozent und im dritten Jahr bei 50 Prozent.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, wissenschaftlich tätig zu sein? Was begeistert Sie an der Forschung?

Miriam Kalbitz: Meine klinische unfallchirurgische Ausbildung inspiriert mich, nach Antworten auf klinisch motivierte Fragen in der Wissenschaft zu suchen. In der Unfallchirurgie ist präzises, zeitgerechtes und situationsorientiertes Handeln gefragt; dies muss erlernt und trainiert werden. Einem polytraumatisierten Menschen akut im Schockraum das Leben zu retten, begeistert jeden Unfallchirurgen. Körpereigene Abwehrmechanismen als Reaktion auf ein Trauma können dem Patienten im Verlauf zum Verhängnis werden. Durch ein translationales und retranslationales Vorgehen profitieren in O und U sowohl die Forschung als auch die Klinik. Gleichzeitig können neue Handlungsgrundlagen geschaffen und somit der Behandlungserfolg auch im Verlauf der Genesung verbessert werden.

Was möchten Sie langfristig mit Ihrer Forschung erreichen? Was ist Ihr „großer Plan“?

Miriam Kalbitz: Die Entzündungen nach einem Trauma stellen klinisch herausfordernde Probleme mit hoher Sterblichkeitsrate dar. Daher würden weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem deutlich verbesserten Überleben nach schweren Verletzungen und während der Sepsis beitragen. Diese zu generieren und das Interesse beim Nachwuchs für dieses spannende Thema zu fördern, ist mir ein Anliegen.

Wie können Ihrer Meinung nach mehr klinische Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen zur eigenen Forschung begeistert werden?

Miriam Kalbitz: In meinen Augen sind Vorbilder essenziell, um unseren Nachwuchs für Forschung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie zu begeistern. Natürlich sind ein forschungsfreundliches Umfeld und die Unterstützung von Vorgesetzten unentbehrlich. Programme wie das Clinician Scientist Programm können dazu beitragen, dass klinischen Nachwuchswissenschaftlern Freiräume für Forschung eingeräumt werden können.

Welche Herausforderungen / Hindernisse mussten Sie überwinden, um Forschung zu betreiben, und was raten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs?

Miriam Kalbitz: Eine sehr große Herausforderung als Clinician Scientist ist es, Klinik und Forschung unter einen Hut zu bekommen. Diese Herausforderung habe ich durch unermüdlichen Einsatz und Begeisterung gemeistert. Zudem waren meine Mentoren von ganzem Herzen von ihrem Fach und der Forschung angetan und haben diese Begeisterung an ihren Nachwuchs, unter anderem an mich, weitergegeben. Dieses Glück haben leider nicht alle Nachwuchswissenschaftler, dafür bin ich sehr dankbar. Eine große Herausforderung ist (es) ebenfalls, Klinik und Wissenschaft in der richtigen Balance zu halten.

Mein Rat an den Nachwuchs: Suchen Sie sich ein Arbeitsumfeld, in dem sowohl Ihre klinische als auch wissenschaftliche Arbeit unterstützt wird. Nur so können Ihre intrinsische Motivation und Ihr Fleiß zum Erfolg führen. Und natürlich nicht aufgeben! Wenn man etwas wirklich will, kann man alles schaffen!

Welches der von Ihnen bislang betreuten Forschungsprojekte hat Sie am meisten begeistert und warum?

Miriam Kalbitz: Als klinischer Forscher hat man bei Forschungsprojekten immer den Nutzen für den Patienten im Blick. Daher begeistern mich besonders Projekte, bei denen es um konkrete Therapieansätze mit klinischer Relevanz geht. Ein Beispiel wäre die Anwendung von mesenchymalen Stammzellen bei Mehrfachverletzen. Aber auch bisher unbekannte Entdeckungen faszinieren mich immer wieder aufs Neue und sind der Antrieb weiter zu forschen.

Welchen Stellenwert nimmt nach Ihrer Ansicht die Forschung in O und U ein?

Miriam Kalbitz: Gerade O und U entwickelt sich rasant weiter, wobei viele Erkenntnisse und Grundsätze von unseren Lehrern nicht ihre Gültigkeit verloren haben. Es gibt unzählige Möglichkeiten, den technischen Fortschritt in unser Fach einzubringen und es dadurch weiterzuentwickeln, ohne altes Wissen zu verlieren. Die Sterblichkeit nach schwerem Trauma oder bei Sepsis ist immer noch inakzeptabel hoch. Daher ist es dringend erforderlich, durch Forschung weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Hier sind unsere klinischen Nachwuchswissenschaftler gefragt.

Wie vereinbaren Sie Forschung und Familie miteinander?

Miriam Kalbitz: Ein gutes Zeitmanagement ist hilfreich, wenn man alles unter einen Hut bekommen möchte.

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