Forschungsstandort Frankfurt
Translationale Arthrose- und Traumaforschung
Durch die Verknüpfung von Grundlagen- mit klinischer Forschung sollen neue Erkenntnisse dem Patienten möglichst schnell zugutekommen. Außerdem soll dadurch die akademische Aus- und Weiterbildung gefördert werden. Deshalb wurde am 1. Januar 2021 die Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim gGmbH als Klinik für Orthopädie in das Universitätsklinikum Frankfurt integriert. Gemeinsam mit der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und in enger Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlern und Ärzten werden dort verschiedenste Themen der muskuloskelettalen Medizin bearbeitet.
In der Klinik für Orthopädie (Direktorin: Prof. Dr. Andrea Meurer) liegen die Schwerpunkte der experimentellen Forschung vor allem im Bereich Arthrose sowie bei anderen degenerativen und vererbbaren Erkrankungen des skelettalen Systems. Direktorin Prof. Meurer konnte im Jahr 2016 durch die großzügige Unterstützung der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung einen eigenen Forschungsbereich für Arthrose einrichten (Leitung: Prof. Dr. Frank Zaucke). Sie gründete außerdem die Deutsche Initiative für Arthroseforschung mit Schirmherrin Prof. Dr. Rita Süssmuth, um die Aktivitäten in der Arthroseforschung inländisch zu bündeln.
In der Forschung arbeiten momentan zwei Wissenschaftlerinnen sowie zahlreiche naturwissenschaftliche und medizinische Doktoranden. Hinzu kommen Ärzte, die vom klinischen Alltag freigestellt werden, um eigene Projekte zu bearbeiten, und dabei von einer Studienkoordinatorin aus der Forschung unterstützt werden. Im Forschungslabor mit seiner biochemischen und zellbiologischen Ausrichtung werden krankheitsrelevante Prozesse auf verschiedensten Ebenen untersucht.
Mehrere Forschungsprojekte werden aktuell durch externe Drittmittel finanziert: In einem Teilprojekt der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsgruppe 2407 untersucht Dr. Zsuzsa Jenei-Lanzl den Einfluss des vegetativen Nervensystems auf die Pathogenese der Arthrose. Die Arbeiten im experimentellen Tiermodell wurden im Jahr 2019 auf dem DKOU mit dem Wilhelm-Roux-Preis ausgezeichnet. Langfristig soll diese Studie dazu beitragen, neue sympathikusbasierte Therapieansätze zu entwickeln. In einem Teilprojekt der DFG-geförderten Forschungsgruppe 2722 werden Pathomechanismen von Osteogenesis imperfecta untersucht, um eine individualisierte Behandlung von Patienten mit dieser seltenen Erkrankung zu ermöglichen. Hierbei liegt der Fokus auf der extrazellulären Matrix (EZM), die die biomechanischen Eigenschaften skelettaler Gewebe bedingt. Die Homöostase der EZM steht auch in vielen anderen Projekten im Vordergrund. Die DGOOC fördert in einem Verbund ein Teilprojekt zum regenerativen Potenzial von Exosomen aus mesenchymalen Stammzellen.
Im kürzlich von der EU bewilligten Marie-Skłodowska-Curie-Netzwerk CHANGE werden altersbedingte Veränderungen im Knorpel charakterisiert. Auch die Stiftung Friedrichsheim unterstützt
weiterhin die Arthroseforschung.
Unter anderen konnte dadurch der Auslandsaufenthalt von Dr. Marco Brenneis am Hospital for Special Surgery in New York, einer der führenden orthopädischen Einrichtungen in den USA, ermöglicht werden.
Das klinikinterne Bewegungsanalyselabor (Leitung: PD Dr. Felix Stief) ist wie auch das Forschungslabor ein zertifiziertes Netzwerklabor der Sektion Grundlagenforschung der DGOU. Die Arbeitsgruppe wird durch Ärzte und wissenschaftliche Mitarbeiter aus verschiedenen Fachbereichen unterstützt. Das Labor wird sowohl für die Patientenversorgung (Therapieplanung) als auch für klinische Forschung genutzt. Zum einen werden grundlagenorientierte Projekte, wie die Entwicklung neuer Analysemethoden und biomechanischer Modelle verfolgt. Zum anderen werden in klinisch angewandten Studien die funktionellen Auswirkungen operativer sowie konservativer Therapien bei Arthrose des Knie- und Hüftgelenks evaluiert, um diese letztendlich optimieren zu können. In der Regel sind diese interdisziplinären Projekte über externe Drittmittel finanziert, wie beispielsweise zwei von der DFG geförderte Projekte zur Verbesserung der operativen Behandlungsergebnisse bei Hüftgelenksarthrose auf der Grundlage biomechanischer und bio-chemischer Erkenntnisse sowie zur Bedeutung der dynamischen Gelenkbelastung bei der Behandlung von Achsfehlstellungen des Knies. Dieser innovative Forschungsansatz wurde mit dem Wissenschaftspreis der Vereinigung für Kinderorthopädie (VKO) ausgezeichnet (Preisträgerin Jana Holder).
Das Forschungslabor (Leitung: Prof. Dr. Dirk Henrich) der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (Direktor: Prof. Dr. Ingo Marzi) ist im interdisziplinären Forschungs- und Laborgebäude des Universitätsklinikums lokalisiert und ebenfalls von der Sektion Grundlagenforschung der DGOU als Netzwerklabor zertifiziert. Neben einem Postdoc, zwei Biologen und zwei Veterinären wird das Laborteam durch zwei bis drei Ärzte in der Forschungsrotation verstärkt. Diese in der Regel zwölfmonatige Freistellung aus der Klinik ermöglicht den Ärzten die Bearbeitung eigener Projekte. In der Regel werden auch diese Projekte über externe Drittmittel finanziert.
Die Forschungstätigkeit umfasst sowohl klinische als auch klinisch-experimentelle Ansätze. Die Projekte können zwei Themenkomplexen zugeordnet werden: Der erste Komplex umfasst die Charakterisierung und Modulation der Immunologie/Inflammation und Regeneration nach (Poly-) Trauma. Diese Projekte wurden lange und kontinuierlich von der DFG gefördert. Trotz des Fortschritts in der medizinischen Forschung ist es immer noch unmöglich, den klinischen Verlauf, insbesondere auf der Intensivstation nach einem Polytrauma, vollständig zu erklären oder vorherzusagen. Die Erforschung der komplexen posttraumatischen Reaktion ist das Ziel der neu eingerichteten DFGForschungsgruppe 5417 (Sprecher: Prof. Dr. Ingo Marzi). Das zentrale Projekt ist eine nationale Traumaserumbank, die mit Unterstützung der DGU und des Netzwerks Traumaforschung etabliert wurde und in Frankfurt lokalisiert ist. Insgesamt drei der neun Teilprojekte werden von der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie geleitet und durchgeführt.
Der zweite Komplex beschäftigt sich mit der Regeneration von Knochen- und Weichteilgeweben und wird ebenfalls umfassend durch die DFG, Stiftungen, Industrie, das Land Hessen und den Rhein-Main-Universitätsverbund unterstützt. Grundlage dieser Projekte ist der Einsatz regenerativer Zellen zur Verbesserung der Knochendefektheilung. So führte unsere In-vitro-Forschung zur Etablierung von In-vivo-Knochendefektmodellen und letztlich zu klinischen Studien der Phasen I und IIa zur Sicherheit und Wirksamkeit von autologen mononukleären Knochenmarkzellen bei Patienten mit proximaler Humerusfraktur. Diese sehr aufwendigen klinischen Studien wurden vollständig durch das LOEWE-Programm des Landes Hessen gefördert. Ein weiteres Thema ist der Einsatz von Membranen für die Knochendefektheilung ausgehend von der induzierten Membrantechnik nach Masquelet. Daraus entstanden preisgekrönte Arbeiten: Für die Modifikation der induzierten Membran durch verschiedene Antibiotikazusätze erhielt PD Dr. Christoph Nau im Jahr 2018 beim DKOU den Herbert-Lauterbach-Preis. Dieses Verfahren kann durch den Einsatz von künstlichen Membranen zeitlich und operationstechnisch deutlich reduziert werden. Erste Studien zeigten das Potenzial dieses Ansatzes, der von der DGU mit dem Innovationspreis (2021, Preisträger PD Dr. René Verboket) ausgezeichnet wurde. Die aktuelle Forschung an dieser Technik wird von der DFG gefördert. Ein weiteres zukunftsträchtiges Feld ist die Anwendung von 3D-Druckverfahren in der Unfallchirurgie. Diese Technik ermöglicht die zielgerichtete Entwicklung neuer Knochenersatzmaterialien unter Berücksichtigung biologischer
und physikalischer Erfordernisse sowie die Herstellung von Modellen zur Operationsplanung und für die Lehre. In dem im Jahr 2021 neu eingerichteten 3DDrucklabor wurden verschiedene innovative Designs angefertigt, die durch Kombination von kleinen bioaktiven Strukturen in eine feste Stützkonstruktion das Problem der Skalierung auf menschliche Größenverhältnisse umgehen. Dieses Projekt wird vom Innovationsfonds der Rhein-Main-Universitäten und von der AO Trauma gefördert.
Die Vernetzung der Grundlagenforschung mit der Klinik erfolgt in beiden Einrichtungen in wöchentlichen Forschungsseminaren, die von Ärzten, Wissenschaftlern und medizinischen Doktoranden besucht werden. Medizinische Doktoranden referieren über ihre Projekte und werden so auf ihre Disputation vorbereitet. Ärzte legen hier den Grundstein für ihre Habilitation. Im engen Austausch mit den Wissenschaftlern werden bestimmte Projekte vertieft oder
neue Projekte entwickelt. Durch die Kombination von innovativen Projekten, vielfältigen Kontakten zu anderen Arbeitsgruppen und einer guten Betreuung sind die Forschungslabors in Frankfurt besonders attraktiv für medizinische Doktoranden und den wissenschaftlichen Nachwuchs.